Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen und Änderungen im Aktien- und Vereinsrecht

Wir berichteten in vdw aktuell 23/2020 über das Urteil des LG Frankfurt/Main vom 2.10.2020, Az. 2-15 O 23/20. Das Gericht sah in der coronabedingten, behördlich vorgeschriebenen Ladenschließung keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietsache. Auch das LG Heidelberg vertrat in seinem Urteil vom 30.7.2020 diese Ansicht. Genau gegensätzlich entschied das LG München (siehe Seite 2). Um in dieser Frage eine verbindliche Regelung zu schaffen, hat der Gesetzgeber auf Drängen der Koalitionsfraktionen per Eilverfahren eine befristete gesetzliche Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen auf den Weg gebracht. Diese Regelung soll noch in diesem Jahr, nach dem Tag der Verkündung, in Kraft treten. Der Beschluss von Bundestag und Bundesrat erfolgte am
17. und 18.12.2020. Die Verkündung wird parallel vorbereitet.

Eine Änderung oder ein Abwenden der vorgeschlagenen Regelung war leider nicht mehr zu erreichen. Mit dem Beschluss der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder letzten Sonntag hat sich die Koalition auf eine Regelung zu § 313 BGB verständigt. Eine offizielle Verbändeanhörung hat seit dem nicht stattgefunden. Vor dem Hintergrund, dass ursprünglich auf Drängen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. viel weitergehende Änderungen, bis hin zu einem automatischen Einstellen von Zahlungen, im Gespräch waren, ist die nun kommende Änderung als der geringste mögliche „Eingriff” in die Regelung des § 313 BGB anzusehen; wobei diese Änderung eher klarstellenden Charakter hat.

Die Anwendung des § 313 BGB war auch bisher zu keinem Zeitpunkt gesetzlich ausgeschlossen. Gleichwohl ist in der Praxis, insbesondere des gewerblichen Miet- und Pachtrechts, eine Unsicherheit hierüber entstanden. Diese Unsicherheit wurde durch divergierende Gerichtsentscheidungen verschärft.

Mit der nun erfolgenden Regelung will der Gesetzgeber zum einen klarstellen, dass § 313 BGB anwendbar ist und zum anderen eine Vermutungsregelung für ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal aufstellen. Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums war § 313 BGB in der jetzt geltenden Fassung praktisch bisher bereits so anzuwenden, wie es nun gesetzlich klarstellend geregelt wird.

Da keine inhaltlichen Änderungen mehr zu erwarten sind, informieren wir Sie im Folgenden über die wesentlichen Inhalte dieser Regelung, die bis zum Ablauf des 30. September 2022 gilt.

Des Weiteren informieren wir Sie über inhaltliche Änderungen an den sog. COVID-19-Sonderregelungen im Aktien- und Vereinsrecht, die im selben Gesetzespaket verabschiedet werden. Die diesbezüglichen Regelungen zur GmbH und zu den Genossenschaften bleiben inhaltlich unberührt. Für alle Rechtsformen wird noch einmal per Gesetz festgestellt, dass die Sonderregelungen auch in 2021 gelten.

Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage

Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat (Art. 240 § 7 EGBGB-neu). Diese Regelung ist auf Pachtverträge entsprechend anwendbar.

Die Regelung gilt insbesondere für Gewerbemietverhältnisse, aber auch für die Anmietung von zu Freizeitzwecken genutzten Räumen und für Kultureinrichtungen. Für Verträge, die keine Miet- oder Pachtverhältnisse sind, ändert sich durch die vorgeschlagene Regelung ebenfalls nichts. Ob eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben ist, ist auch insoweit für den jeweiligen Einzelfall allein nach den Voraussetzungen des § 313 BGB zu beurteilen.

Im Wesentlichen lassen sich folgende Aspekte der Neuregelung zusammenfassen:

  • Es wird klargestellt, dass § 313 BGB anwendbar ist, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind.
  • Gleichzeitig wird in diesen Fällen vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar.
  • Der Mieter muss die staatlichen Maßnahmen und die Aufhebung bzw. erhebliche Einschränkung der Verwendbarkeit darlegen und ggf. beweisen. Erst dann greift die o.g. Vermutung.
  • Ebenso muss er darlegen und ggf. beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten.
  • Erst dann ist für jeden Einzelfall festzustellen, ob einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
  • Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob für den Zeitraum, in dem der Betrieb von einer staatlichen Maßnahme betroffen ist, zum Beispiel eine Stundung oder Anpassung der Miethöhe, eine Verringerung der angemieteten Fläche bei gleichzeitiger Herabsetzung der Miete oder auch die Aufhebung des Vertrags angemessen ist.

Ein ausführliches GdW-Rundschreiben zum Thema finden Sie im Mitgliederbereich unserer Website unter GdW-Downloads: weiter.

LG München I vom 22.9.2020, Az. 3 O 4495/20

Das Urteil des LG München I vom 22.9.2020, Az. 3 O 4495/20 entschied – damals noch ohne Kenntnis obigen Gesetzesvorhabens – bereits, dass die Schließung einer Verkaufsfläche einen Mietmangel darstellt und liefert daher praktischen Anschauungsunterricht, was in etwa auf Grund der neuen Gesetzeslage zu erwarten sein könnte. Vorbehaltlich einer jeweils konkreten Prüfung der Umstände im Einzelfall. Nach dem Urteil des Landgerichts München darf die monatliche Miete je nach der geltenden behördlichen Beschränkungen abgestuft gemindert werden (wir werden in der nächsten Ausgabe über das Urteil berichten).

 

Bundeskabinett hemmt mit neuem Telekommunikationsrecht Investitionen in dringend notwendige Digitalisierung

Das Bundeskabinett hat am 16.12.2020 einen Gesetzentwurf für die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKMoG – Telekommunikationsmodernisierungsgesetz) auf den Weg gebracht. „Dieses Gesetz sollte so auf keinen Fall den Bundestag passieren, weil es sachlich und fachlich begründete Einwände ignoriert“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Der Entwurf steht inhaltlich massiv in der Kritik. Der GdW ist überzeugt, dass weder für eine Abschaffung der Betriebskostenverordnung (Art. 14 TKMoG E) noch für eine darauf zielende Opt-Regelung (§ 69 Abs. 2 TKMoG E) eine europa- oder telekommunikationsrechtliche Grundlage vorhanden ist, die einen derartigen Eingriff in das Mietrecht rechtfertigt.

„Darüber hinaus sind die Folgen dieses Gesetzentwurfs unsozial und ein fatales Signal an die Wohnungsunternehmen und Netzbetreiber. Mieter und besonders Mieter mit geringem Einkommen werden deutlich höher belastet und die Planungssicherheit für Unternehmen wird mit diesem Gesetz über Bord geworfen“, sagt Gedaschko. Eine aktuelle Umfrage allein bei den Mitgliedern der Regionalverbände im GdW hat ergeben, dass bei Betrachtung künftig vermehrter Glasfaserinvestitionen die Höhe der umzulegenden Entgelte weiterhin günstig bleibt. Bei dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Wegfall der Umlagefähigkeit würden solche Kosten für den Mieter um 100 bis 200 Euro pro Jahr und Haushalt höher liegen. Und Haushalte mit geringem Einkommen, deren Kosten der Unterkunft (Miete plus Betriebskosten) vom Sozialhilfeträger übernommen werden, müssten diese Kosten künftig aus der eigenen Tasche bezahlen.

Die künftigen Glasfaser- und Breitbandinvestitionen von Wohnungsunternehmen und Netzbetreibern brechen aufgrund wegfallender Kalkulationsgrundlagen ein. Allein die Unternehmen der Wohnungswirtschaft planen bis Ende 2025, 2 Millionen Wohnungen an Glasfasernetze anzubinden. Bei Wegfall der Umlageoption wird nur noch ein geringer Teil dieser Investitionen stattfinden können, da die Refinanzierung nicht gesichert ist. Zahlreiche mittelständische Netzbetreiber werden aufgrund geringerer Refinanzierungsoptionen im Wettbewerb aufgeben müssen.

„Kaum nachzuvollziehen ist auch der kurzfristige Eingriff in laufende Verträge und die de facto Abschaffung des Bestandsschutzes“, sagt Gedaschko. Vorgesehen ist laut Entwurf eine 2-jährige Frist. Für Tausende laufende Gestattungsverträge zwischen Wohnungsunternehmen und Netzbetreibern sowie für Millionen von Mietern werde damit kurzfristig ein vertragsrechtliches Chaos ausgelöst und eine für Staat, Investoren und Mieter effiziente Breitbandförderung würde beendet werden.

Pressemitteilung zur Mitgliederbefragung: Mehr Mietstundungen auf Bayerns Wohnungsmärkten – Wohnungswirtschaft reicht Mietern in der Pandemie die Hand

Immer mehr Mieter von Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen im Freistaat beantragen Mietstundungen. Insbesondere die Situation im Gewerbebereich spitzt sich weiter zu. Das ergab eine neue Umfrage unter den 491 Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern.

„Die Einschätzungen im Rahmen der mittlerweile vierten Mitgliederbefragung im Jahr 2020 bieten Grund zur Sorge – aber auch Anlass zur Erleichterung“, ordnet Verbandsdirektor Hans Maier die Ergebnisse der Umfrage ein. Einerseits zeige sich, dass viele Wohnungsunternehmen mittlerweile sehr gut mit der schwierigen Pandemie-Situation umgehen können: „Das Vermietungsgeschäft, Neubau, Modernisierung und Instandhaltung laufen in einer neuen Normalität weiter“, erklärt Maier. Entsprechend ist Kurzarbeit in der Branche nach wie vor kein Thema. Nur ein einziges Unternehmen berichtet davon, bislang auf Kurzarbeitergeld zurückgegriffen zu haben.

Mehr Anfragen nach Mietstundungen – insbesondere bei Gewerbemietern

Etwas mehr Sorgen als noch in der letzten Umfrage bereitet den Unternehmen und auch Verbandschef Maier dagegen die Situation in der Mieter- und Mitgliederschaft. Meldeten im Juli 38 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie aus dem Kreis ihrer Mieterschaft Anfragen zu Mietstundungen erreichten, so waren es im Dezember 55 Prozent. Im Gewerbebereich haben sich bereits bei über 60 Prozent aller Unternehmen Gewerbemieter gemeldet und um Stundung von Zahlungen gebeten.

„Während jede Anfrage nach Stundungsvereinbarungen auf größere wirtschaftliche Engpässe bei einzelnen Mietern hinweist, ist die Gesamtzahl der von Stundung betroffenen Mietverhältnisse je Unternehmen weiterhin gering“, gibt Verbandsdirektor Maier gleichzeitig zu bedenken. Entsprechend sehen derzeit die meisten Wohnungsunternehmen Corona-bedingte Mietausfälle als geringes Problem. Anders sieht es bei der Gewerbevermietung aus – hier sehen etwa 30 Prozent der Unternehmen, die Gewerbevermietung betreiben, in den kommenden Monaten ein mäßiges und 27 Prozent ein hohes oder sogar sehr hohes Risiko weiterer Ausfälle.

„Bislang hat kein Mieter bei den befragten Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern aufgrund von pandemiebedingten Zahlungsschwierigkeiten seine Wohnung verloren“, betont Maier. Die meisten Wohnungsunternehmen haben außerdem ursprünglich geplante Mieterhöhungen in den Beständen komplett zurückgestellt.

Entwicklung des sozialen Miteinander in den Wohnquartieren wird unterschiedlich bewertet

Auch die Qualität des menschlichen Miteinanders in den Wohnanlagen wird von der Wohnungswirtschaft während der Pandemie genau beobachtet – viele Unternehmen haben schon seit Langem eigene Sozialarbeiter für die Quartiersarbeit eingestellt. „Gute und schlechte Nachrichten halten sich aktuell die Waage“, fasst Maier die Rückmeldungen in diesem Bereich zusammen.

17 Prozent der Unternehmen geben an, dass sich das soziale Miteinander in den Wohnanlagen verbessert haben – es wird von nachbarschaftlicher Hilfe und mehr Engagement berichtet. Gleichzeitig melden allerdings 24 Prozent der Befragungsteilnehmer, dass sich die Stimmung in den Quartieren stark oder sogar sehr stark (1,5 Prozent) verschlechtert habe.

Genossenschaftsrecht und Pandemie-Sonderregelungen: Fehlende rechtliche Handlungsfähigkeit im Falle einer zahlenmäßigen Unterbesetzung des Vorstands

OLG Naumburg, Beschluss vom 6.11.2020 (5 Wx 9/20)

Im März dieses Jahres hatte der Bundesgesetzgeber zahlreiche besondere Regelungen für die verschiedenen Rechtsformen von Unternehmen erlassen, welche Erleichterungen für deren inneren Geschäftsgang, insbesondere für die Regularien in den Gremien des Unternehmens, bewirken sollten. Diese Regeln haben sich in diesem Jahr besonders für Genossenschaften als sehr hilfreich erwiesen. Wie wir berichteten, sind die Sonderregelungen des Pandemie-Maßnahmengesetzes jedenfalls sehr gut gemeint, und durchaus auch gut gemacht. Allerdings ist es angesichts der Komplexität der genossenschaftsrechtlichen Materie und auch vor dem Hintergrund der dringenden Eilbedürftigkeit in der Anfangsphase der Pandemie im März 2020 weder verwunderlich, noch dem Gesetzgeber vorwerfbar, dass sich hierzu geradezu zwangsläufig zahlreiche neue Rechtsfragen ergeben, und zwar aus den Sondervorschriften selbst, jedoch auch im Zusammenspiel mit dem Genossenschaftsgesetz und den in der Praxis verwendeten Satzungsregelungen. Inzwischen ist zu einer solchen Rechtsfrage eine erste Entscheidung ergangen.

Der zugrundeliegende Streitfall betraf das Eintragungsverfahren beim Registergericht. In einer Wohnungsgenossenschaft war ein Mitglied des Vorstands vom Aufsichtsrat vorläufig seines Amtes enthoben worden. Auch diese vorläufige Amtsenthebung muss im Register zur Eintragung angemeldet werden. Hierzu bedarf es des Handelns der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder. Der Vorstand bestand jedoch nur aus zwei Mitgliedern. Durch die Amtsenthebung des einen Vorstandsmitglieds verblieb es bei nur noch einer Person im Vorstand. Einen Prokuristen gab es nicht. Einzelvertretungsmacht war in der Satzung nicht vorgesehen. Das Registergericht lehnte die Austragung des abberufenen Vorstandsmitglieds mit der Begründung ab, dass nach Gesetz und Satzungslage nur ein Vorstandsmitglied die Genossenschaft nicht wirksam vertreten könne. Der Hinweis der Genossenschaft, dass es die Sonderregelung in Art.2 § 3 Abs.5 S.2 Pandemie-Maßnahmengesetz erlaube, nicht nur die in der Satzung festgelegte Anzahl von Vorstandsmitgliedern unterschreiten zu dürfen, sondern auch die gesetzlich angeordnete von zwei Vorstandmitgliedern, und daher auch automatisch die Vertretungsmacht nur eines Vorstandsmitglieds gegeben sein müsste, blieb unbeachtet. Leider auch bei der Beschwerdeinstanz, dem OLG Naumburg. Dieses stellte sinngemäß fest, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Sonderregelungen nur etwas zur Anzahl der Organmitglieder gesagt habe, nicht jedoch zur Frage der Vertretungsmacht. Und hier, so das OLG Naumburg weiter, müsse es zumindest im Falle einer vorläufigen Abberufung durch den Aufsichtsrat bei den normalen Verhältnissen im Rahmen der Vertretungsmacht bleiben.

Anmerkung

Die Genossenschaft ist durch den Spruch des OLG Naumburg somit handlungsunfähig, soweit der Vorstand nicht mit einer weiteren Person aufgefüllt wird. Hierzu gibt es auf die Schnelle unter Umständen erst einmal nur die Möglichkeit, ein Aufsichtsratsmitglied kommissarisch und für einen im Voraus begrenzten Zeitraum in den Vorstand zu entsenden. Denn eine endgültige Nachbesetzung mit einem weiteren, neuen Vorstandsmitglied kann riskant, oder sogar unmöglich sein, da es sich ja nur um eine vorläufige Amtsenthebung gehandelt hatte. Über die Endgültigkeit der vorzeitigen Amtsbeendigung durch die Genossenschaft hätte die Generalversammlung zu entscheiden, und zwar mit einer Mehrheit von drei Vierteln. Falls die Satzung nur zwei Vorstandsposten vorsieht, und es würde ein neues Vorstandsmitglied dauerhaft bestellt, die Abberufung des bisherigen jedoch in der Versammlung später scheitert, sodass es weiterhin Vorstandsmitglied wäre, dann hätte man eine weitere, sehr „schöne“ Rechtfrage zu klären.

Die Entscheidung des OLG Naumburg ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht verständlich. Wenn der Gesetzgeber schon eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestzahl zulässt, dann dürfte er auch die Frage einer Handlungsfähigkeit der Genossenschaft im Blick gehabt haben. Sicherlich hätte er dies auch ausdrücklich im Gesetzestext klarstellen können. Aber es entspricht ganz allgemeiner Normierungstechnik, dass in einem Gesetz nicht jede Selbstverständlichkeit oder Eventualität gleich mitgeregelt wird, geschweige denn mitgeregelt werden muss. Auch eine Vorstandsbestellung durch den Aufsichtsrat kann in Pandemiezeiten schwierig sein, nicht nur dann, wenn der Vorstand durch die Generalversammlung zu bestellen ist, sondern auch dann, wenn die Vorstandsbestellung durch den Aufsichtsrat erfolgt. Schutzzweck der Pandemie-Sondergesetze ist eindeutig, die Funktionsfähigkeit des Unternehmens Genossenschaft zu erhalten, ohne dass man sich persönlich treffen, oder sich überhaupt, schriftlich oder digital, auf den Weg machen muss, eine Gremienauffüllung herzustellen.

Die Entscheidung ist daher rundweg abzulehnen. Allerdings sollte in einem vergleichbaren Fall der sicherste Weg gewählt werden, und, soweit dies möglich ist, eine zügige Besetzung des freigewordenen Sitzes erfolgen. Erwähnenswert ist vielleicht noch Folgendes: Die Entscheidung des OLG Naumburg erging zur Fallgestaltung einer vorläufigen Amtsenthebung eines Vorstandsmitglieds. In anderen Konstellationen, etwa bei regulärem Auslaufen der Amtszeit mit bewusstem Amtsverzicht des Betroffenen, erscheint die Rechtsansicht des OLG Naumburg noch deutlicher unzutreffend zu sein.

Best Practice für barrierefreies Wohnen: Neue Broschüre zeigt gelungene Beispiele aus ganz Bayern

Barrierefrei und gleichzeitig wirtschaftlich und in hoher Qualität Bauen und Wohnen? Wie man diesem scheinbaren Gegensatz begegnet, zeigt die neue Broschüre „Gut Wohnen in jedem Lebensalter. Barrierefreiheit – ein Mehrwert für alle Generationen“ des Bayerischen Bauministeriums, die Staatsministerin Kerstin Schreyer vorgestellt hat. „Der Wohnungsbau ist eine unserer ganz großen Herausforderungen. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum wird immer größer. Gleichzeitig hat uns Corona gezeigt, wie wichtig es ist, auch attraktiven Wohnraum zu haben, in dem man sich in jedem Alter wohlfühlt und gegebenenfalls auch mit mobilen Einschränkungen gut auskommt. Das ist mir besonders wichtig.“

Ob Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen: Alle sollen gleichermaßen in den verschiedensten Lebensphasen selbstbestimmt von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden gut wohnen können. Barrierefreiheit ist dabei von zentraler Bedeutung. So sind beispielsweise bodengleiche Duschen, komfortable Bewegungsflächen oder der schwellenlose Zugang zu den Wohnungen und Freibereichen bauliche Maßnahmen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern den Alltag enorm erleichtern.

Und genau darum geht es in der jetzt erschienenen Broschüre „Gut Wohnen in jedem Lebensalter. Barrierefreiheit – ein Mehrwert für alle Generationen“. Die Publikation stellt durch anschauliche Grafiken und Bilder auf 108 Seiten das gesamte Repertoire des barrierefreien Wohnungsbaus dar und zeigt praktische Lösungsansätze. Technische Vorgaben werden somit verständlich. Daher eignet sich die Publikation für Fachplaner, Interessierte und Bauwillige gleichermaßen und bildet die Qualität und den Mehrwert der Barrierefreiheit im Wohnungsbau für alle Generationen anschaulich ab.

Die Broschüre ist ab sofort im Bestellportal der Bayerischen Staatsregierung (www.bestellen.bayern.de) in der Rubrik „Wohnen, Bau und Verkehr“ kostenfrei als Druckversion und als barrierefreies PDF erhältlich.