„Zutrittsrecht“ des Vermieters zur Mietwohnung – Unvollständige Kenntnisnahme des psychiatrischen Sachverständigengutachtens

BGH, Urteil vom 26.04.2023, Az. VIII ZR 420/21

Auch ohne besondere Vereinbarung im Mietvertrag steht dem Vermieter ein Zutritts- oder Besichtigungsrecht der Mietwohnung zu, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt. Der Termin sollte mit der Mietpartei abgestimmt sein und in der Regel Montag bis einschl. Samstag zwischen 10:00 und 13:00 Uhr oder 15:00 Uhr und 18:00 Uhr liegen. Anerkannt ist zum Beispiel das Betreten, um Zählerstände von Messgeräten abzulesen, um Modernisierungsmaßnahmen bzw. Mieterhöhungen zu planen oder zur Begutachtung bei beabsichtigter Veräußerung oder Neuvermietung mit Käuferinteressenten oder Maklern.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte ist seit 2017 Mieterin einer Wohnung der Kläger. Der Mietvertrag enthält eine Regelung, die das Betreten der Mieträume zum Zwecke der anderweitigen Vermietung oder bei Verkauf zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen regelt.
Die Kläger forderten die Beklagte erstmal 2019 auf, ihnen den Zutritt zu der Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und Kaufinteressenten zu gestatten. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung ab.

Die Kläger setzten den Anspruch 2021 vor dem Amtsgericht gerichtlich durch: Der Zutritt sei den Klägern oder einer von den Klägern mit schriftlicher Bevollmächtigung ausgestatteten Person nach schriftlicher Ankündigung an einem Werktag zwischen 10:00 Uhr und 18:00 Uhr zu gewähren. Die Ankündigung soll zeitlich mindestens eine Woche vor dem Termin liegen. Das Zutrittsrecht betrifft alle Räume, sei jedoch beschränkt auf zwei Personen für die Dauer von maximal 45 Minuten.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legten wiederum die Kläger erfolgreich Revision ein. Das Urteil der 2. Instanz wird aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

Der BGH verwies in den Gründen seiner Entscheidung das Landgericht darauf hin, dass ein Verfahrensfehler vorliege. Das vom Gericht eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten wurde nicht vollständig zur Kenntnis genommen und daher erfolgte keine ausreichende Auseinandersetzung zu den gesundheitlichen Auswirkungen, wenn sich die Beklagte bei der Wohnungsbesichtigung vertreten lasse. Diese Maßnahme wurde lediglich in Betracht gezogen, falls sich der gesundheitliche Zustand der Beklagten bessere, obwohl der Sachverständige ausführte, dass sich die Gesundheitsgefahren verringern lassen könnten, wenn statt der Mieterin eine Vertrauensperson anstelle von ihr an der Besichtigung teilnehme.

Ausblick:

In diesem Fall werden die entgegengesetzten Interessen von Vermietern und Mietern auf die Spitze getrieben. Aufgrund der grundrechtlich verankerten Positionen wird von den Gerichten eine Abwägung durchgeführt. Je detaillierter und aussagekräftiger der Vortrag der Parteien ist, desto umfangreicher hat auch die Beweiswürdigung auszufallen. Im Ergebnis muss die Entscheidung dem Vermieter das Zutrittsrecht zu verwehren auf eine noch tragfähigere Grundlage gestellt werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das LG nun nach der Zurückverweisung unter dem neuen Aspekt entscheidet.

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Mietpreisbremse gilt nicht bei Mieterhöhung und Mieterhöhung nach § 558 BGB heilt Verstoß gegen Mietpreisbremse

BGH Urteil vom 29.9.2022, Az. VIII ZR 300/21

Der BGH stärkt Vermietern, welche zunächst gegen die Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen verstoßen, den Rücken, sofern diese sich nachträglich mit ihrem Mieter auf eine Mieterhöhung einigen.

1. Sachverhalt

Zwischen der Beklagten und den Mietern bestand zwischen 2016 und 2020 ein Mietverhältnis über eine Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt („Mietpreisbremse“) liegt. Die bei der Wiedervermietung der Wohnung vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete von 7,68 €/qm lag deutlich über der gemäß der Mietpreisbremse zulässigen Miete (=ortsübliche Vergleichsmiete 6,17€/qm zzgl. 10%). Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 verlangte die Beklagte von den Mietern die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf sodann 8,68 €/qm. Diesem Mieterhöhungsverlangen stimmten die Mieter am 6. September 2017 zu.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 rügten die Kläger gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die wieder vermietete Wohnung und begehrte die Rückerstattung der über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Kaution (die ja bei zu hoher Miete folglich auch zu hoch ist) sowie die Abgabe der Erklärung, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu über die der Bundesgerichtshof Ende September 2022 entschied.

2. Aus den Gründen

Das Berufungsgericht hat eine Anwendbarkeit der Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und damit einen Rückzahlungsanspruch deshalb verneint, weil die beanstandete Miete nicht auf der bei Mietbeginn geschlossenen Vereinbarung, sondern auf einer nachträglichen, einvernehmlich vereinbarten Mieterhöhung beruhte, für die die Regelungen der §§ 556d ff. BGB („Mietpreisbremse“) nicht gelten. Dieser Ansicht folgte der BGH und hielt fest, dass Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung finden.

Durch die Zustimmung der Mieter zu dem Mieterhöhungsbegehren der Beklagten kam eine wirksame Vereinbarung über die Erhöhung der Nettokaltmiete zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin jeweils erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt. Die auf den Abschluss der Mieterhöhungsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen der Parteien sind dahingehend auszulegen, dass Gegenstand der Vereinbarung nicht nur der Erhöhungsbetrag, sondern auch der neue Gesamtbetrag ist, auf den die Miete erhöht wurde.

Damit verzichten die Mieter auf ihre Rechte aus einem etwaigen Verstoß der bisherigen Miete gegen Regelungen über die “Mietpreisbremse“: Nicht der subjektive Wille der Mieter ist maßgeblich, sondern das Verständnis eines objektiven Erklärungsempfängers. Die Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters ist in der Regel nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass mit der angestrebten Mieterhöhungsvereinbarung der erhöhte Betrag als künftig zu zahlende Miete festgelegt werden soll und er sich etwaige Rechte wegen einer eventuellen Unzulässigkeit der bisherigen Miete nicht vorbehalten will und dass er die erhöhte Miete künftig als vertragsgemäß anerkennt.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall – unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen § 556d BGB bei Mietvertragsschluss vorlag –, dass im Zeitpunkt der Mieterhöhungsvereinbarung ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB wegen zu viel gezahlter Miete mangels Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB nicht bestand, so dass die Beklagte auch hierdurch die uneingeschränkte Zustimmung der Mieter zu dem Mieterhöhungsverlangen nach objektivem Empfängerhorizont nur so verstehen konnte, dass hierdurch künftig und unabhängig von der Zulässigkeit der bisherigen Miethöhe die erhöhte Miete als vertraglich vereinbart geltend sollte.

Auch eine unmittelbare oder analoge Anwendung der Regelungen über die Mietpreisbremse direkt auf die nachträgliche Mieterhöhungsvereinbarung scheidet gemäß BGH aus, da dies dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen widerspreche.

Fazit:

Im Jahr 2015 hielt die Beschränkung der Wiedervermietungsmiete (sogenannte „Mietpreisbremse“) mit § 556d ff BGB erstmals Einzug in das Deutsche Mietrecht und blieb zunächst weitgehend folgenlos. Seit 01.01.2019 galt sodann durch das Mietrechtsanpassungsgesetz eine „verschärfte Mietpreisbremse“. Es regelte im neu eingeführten § 556g Abs.1a BGB eine unaufgeforderte und schriftliche Auskunftspflicht des Vermieters, wenn er von einer Ausnahmeregelung nach §§°556e, 556f BGB Gebrauch macht. Seither gilt: soweit der Vermieter seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, kann er sich auf die Ausnahmeregelung, die ihm ein Mehr gegenüber der Grundregelung des § 556d Absatz BGB (ortsübliche Vergleichsmiete zzgl. 10 %) zu fordern erlaubt, nicht berufen. Eine weitere Verschärfung erfuhr die Mietpreisbremse mit Wirkung ab 01.04.2020. Seither können Mieter zu viel bezahlte Miete auch rückwirkend einfordern.

Die vorliegende Entscheidung des BGH erging zur ursprünglichen Fassung der Mietpreisbremse, wonach es für eine Rückforderung von Überzahlungen einer qualifizierten Rüge des Mieters bedurfte. Entsprechend der jetzt geltenden (reformierten) Rechtslage kann der Mieter aber auch für Zeiten vor einer einfachen (d.h. nicht qualifizierten) Rüge Rückzahlungen verlangen, wenn die Rüge bis 30 Monate nach Mietvertragsabschluss und vor seiner Beendigung erfolgt.

Wie verhält es sich jedoch, wenn innerhalb dieser 30-Monatsfrist eine Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete stattgefunden hat? Der BGH stellt klar, dass ab der Einigung mit dem Mieter uneingeschränkt der neue Mietpreis gilt – was Wirkung auch für die neue Gesetzeslage entfaltet. Für die Zeit zwischen der Wiedervermietung einer Wohnung im Mangelgebiet und der Mieterhöhung kommt jedoch ein Rückforderungsanspruch nach §°556g BGB in Betracht.

Darüber hinaus hat das Urteil des BGH auch Folgen für die „Fehlerberichtigung“ bei formell oder materiell fehlerhaften Modernisierungsmieterhöhungen. Die Modernisierungsmieterhöhung ist kein selbstständiger Zuschlag (BGH NJW 2008, 848 = NZM 2008, 124). Anders als im Vergleichsmietenverfahren führt die Zahlung des Mieters auf eine fehlerhaft einseitige Erhöhung jedoch nicht zu einer Zustimmung zu einer vertraglichen Änderung der Miethöhe (BGH 28.9.2022 – VIII ZR 338/21, BeckRS 2022, 31482 m.w.N.). Wenn der Mieter aber später einer Mieterhöhung im Vergleichsmietenverfahren nach § 558 BGB zustimmt, dann bezieht sich diese Zustimmung auf die Gesamtmiete.

Im Sinne der Beseitigung einer unklaren Rechtslage nach einer Wiedervermietung oder Modernisierungsmieterhöhung kann sich eine rasch nachfolgende Vergleichsmietenerhöhung daher durchaus empfehlen.

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Die Verjährungsvorschrift des § 548 BGB geht der allgemeinen Regelung des § 199 BGB vor

BGH Urteil vom 31.8.2022 Az. VIII ZR 132/20

Die Kläger sind Eigentümer und Vermieter einer im Jahr 1981 von der Beklagten gemieteten, im vierten Obergeschoss gelegenen Wohnung. In den ersten Jahren des Mietverhältnisses stattete die Beklagte das ursprünglich mit Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung versehene Badezimmer mit einem Fliesenfußboden nebst Bodenabfluss aus. Die Arbeiten wurden nicht fachgerecht ausgeführt, weil eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht erstellt wurde. Am 8. Juli 2016 drang in dem unmittelbar darunter gelegenen Badezimmer der Wohnung im dritten Obergeschoss schwallartig Wasser durch die Decke. Im Zuge der Schadensaufnahme wurde festgestellt, dass die Decke einsturzgefährdet war, weil mehrere Deckenbalken durch über Jahre eingedrungene Feuchtigkeit beschädigt worden waren.

Mit der während des fortdauernden Mietverhältnisses im Jahr 2017 erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, die – auf den Rollstuhl angewiesene – Beklagte habe während der letzten zwanzig Jahre regelmäßig außerhalb der Badewanne geduscht, so dass Wasser durch den unzureichend abgedichteten Fliesenboden in die darunter gelegene Holzkonstruktion eingedrungen sei. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Die zuletzt auf die Zahlung von 37.643,09 Euro nebst Zinsen sowie auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Beklagte alle weiteren Kosten der Schadensbeseitigung durch eindringendes Wasser aufgrund nicht sach- und fachgerechter Ausführung von Umbaumaßnahmen im Badezimmer der Wohnung zu tragen hätten, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht lehnte die Ansprüche ab. Es hat angenommen, die erhobenen Ansprüche seien gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bereits während des laufenden Mietverhältnisses verjährt, weil sich die den Schaden auslösende Pflichtverletzung – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die vor dem Jahr 1984 vorgenommenen, nicht fachgerechten Fliesenarbeiten im Badezimmer der Wohnung – mehr als 30 Jahre vor der Klageerhebung zugetragen habe. Nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB verjähren sonstige (also andere als die § 199 Abs. 2 BGB genannten) Schadensersatzansprüche, unter anderem aus der Verletzung des Eigentums, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Der BGH, der über die Revision zu entscheiden hatte, gab aber der Klage statt. § 199 Abs. 3 Satz1 Nr. 2 BGB findet im vorliegenden Fall nämlich keine Anwendung, weil § 548 BGB für bestimmte mietrechtliche Ansprüche eine abschließende Sonderregelung enthält, die der allgemeinen Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgeht, so dass eine Verjährung solcher Ansprüche vor der Rückgabe der Mietsache nicht eintreten kann. Da die Wohnung noch nicht zurückgegeben war – das Mietverhältnis lief noch – war gemäß § 548 BGB noch keine Verjährung eingetreten – obwohl die schädigende Handlung schon mehr als 30 Jahre zurück lag.

Anmerkung für die Praxis:

Im vorliegenden Fall war die Wohnung noch nicht zurückgegeben worden, daher lagen die Verjährungsvoraussetzungen des § 548 BGB nicht vor. Wichtig für die Vermieterpraxis im Falle der Beendigung eines Mietverhältnisses und der Rückgabe
(=i. d. R. Räumung) ist die Beachtung des § 548 Abs. 1 BGB wegen der nach 6 Monaten eintretenden Verjährung.

§ 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts
(1) 1Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. 2Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. 3Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.
(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

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Einsichtsrecht des Mieters nicht nur in Rechnungen sondern auch in Zahlungsbelege

Die Vermieterin verlangte vom beklagten Mieter einer Wohnung eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung. Sie gewährte dem Beklagten zwar Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege, lehnte aber die Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege ab.

Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht gab der
Berufung des Beklagten statt, die zugelassene, von der Klägerin eingelegte Revision entschied der BGH gegen die Klägerin (Vermieterin), weil sie die verlangte Einsicht in die der Betriebskostenabrechnung zu Grunde liegenden Zahlungsbelege nicht gewährt hat (BGH vom 9.12.2020, Az. VIII ZR 118/19).

Dem Mieter steht gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht zu, solange ihm eine berechtigte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist.

Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters bezieht, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Denn mit Hilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen.

Dies gilt unabhängig davon, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip abrechnet. Nach dem Leistungsprinzip müssen die in einem Jahr angefallenen Betriebskosten dem Abrechnungszeitraum auch dann zugeordnet werden, wenn sie erst im Folgejahr in Rechnung gestellt wurden. Nach dem Abflussprinzip kann der Vermieter alle Kosten, mit denen er selbst im Abrechnungszeitraum belastet wird, in die konkrete Abrechnung einstellen. Soweit es sich nicht um Heizkosten handelt – hier ist nur das Leistungsprinzip zulässig – hat der Vermieter ein Wahlrecht zwischen den beiden Abrechnungsarten und kann bei den unterschiedlichen Betriebskostenarten sogar teils die eine, teils die andere Abrechnungsmethode anwenden. Dabei hat er jedoch zu beachten, dass er nicht Zeiträume vor Beginn des Mietverhältnisses einbezieht.

In sämtlichen Fällen hat der Mieter ein gleich gelagertes Kontrollinteresse, wobei der Einwand unberechtigt ist, etwaige Kürzungen oder Nachlässe seien nicht nur aus dem Zahlungsbeleg ersichtlich, sondern vom Vermieter pflichtgemäß bereits auf dem Rechnungsbeleg zu vermerken. Zwar mag sein, dass der Vermieter sich im Falle der Umlage eines nicht oder nicht in voller Höhe entstandenen Rechnungsbetrags wegen Betrugs zu verantworten hätte und dass die Belegeinsicht dem Mieter ohnehin keinen Schutz bietet, da auch Belege manipuliert sein könnten. Mit derartigen Spekulationen kann das der Belegeinsicht zugrundeliegende (allgemeine) Kontrollinteresse des Mieters laut BGH jedoch nicht verneint werden. Außerdem dient die Belegeinsicht auch der Aufdeckung möglicher bloßer Versehen bei der Abrechnung.

Es ist für den Anspruch des Mieters auf Belegeinsicht (inklusive der Zahlungsbelege) auch nicht von Bedeutung, dass der nach dem Leistungsprinzip abrechnende Vermieter die im Abrechnungszeitraum erbrachten – beziehungsweise darauf entfallenden Leistungen unabhängig davon umlegen kann, ob diese (bereits) im Abrechnungszeitraum bezahlt wurden. Denn dies ändert nichts daran, dass sich das allgemeine Kontrollinteresse des Mieters darauf erstreckt, ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter seinerseits (vollständig) bezahlt hat. Ist das nicht der Fall, besteht für den Mieter zumindest Anlass zu Nachfragen oder zur Erhebung von Einwendungen. Im Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung wird im Allgemeinen ein Zeitraum von mehreren Monaten seit Ablauf der Abrechnungsperiode verstrichen und deshalb regelmäßig zu erwarten sein, dass der Vermieter berechtigte Rechnungsbeträge inzwischen bezahlt hat. Soweit der Vermieter insoweit einen Zahlungsbeleg nicht vorzeigen kann, kann das Anlass für Nachfragen des Mieters oder zur Erhebung von Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen sein.

Soweit der Vermieter nach dem Abflussprinzip abrechnet, das auf die im Abrechnungszeitraum abgeflossenen Mittel (bei Rechnungen Dritter also die Bezahlung dieser Rechnungen durch den Vermieter) abstellt, ist der Mieter zur Überprüfung der Abrechnung sogar zwingend auf die Einsicht in die Zahlungsbelege angewiesen, eben weil es für die Richtigkeit der Abrechnung in diesem Fall darauf ankommt, ob die jeweiligen Betriebskosten im Abrechnungszeitraum bezahlt worden sind.

Wohnungsrückgabe ohne Verschließung von Dübellöchern

Die Mieter bewohnten eine Wohnung des Vermieters von 2005 bis zum Auszug im September 2017. Der Vermieter stellte anschließend fest, dass die Mieter beim Auszug 126 Dübellöcher nicht fachgerecht verschlossen hatten. Die Ausführung dieser Arbeiten ließ der Vermieter durch einen Maler durchführen. Er verlangte diesen Betrag sowie eine Nutzungsentschädigung für die verzögerte Weitervermietung von den Mietern. Das Landgericht Wuppertal (LG Wuppertal 16.7.2020, 9 S 18/20) gab ihm recht: Indem die Mieter trotz Aufforderung die von ihnen verursachten Dübellöcher nicht beseitigt hatten, haben sie sich dem Vermieter gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht, so das Gericht.
Es gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung, Befestigungen mittels Dübeln vorzunehmen. Diese sind aber – nach Ansicht des Landgerichtes – bei Beendigung des Mietverhältnisses zu entfernen und die Löcher fachgerecht zu verschließen. Denn es handelt sich um Substanzeingriffe. Das Gericht befindet sich hierbei in guter Gesellschaft mit maßgeblichen Mietrechtlern wie Blank/Börstinghaus, (Miete, 6.Auflage 2020, zu § 546 Rz 39) und Zehelein (Beck-Onlinekommentar, 56. Edition, zu § 538 Rz. 5). Das LG teilt ausdrücklich nicht die Ansicht, die Pflicht Dübellöcher oder andere Bohrlöcher zu beseitigen bestehe nur, wenn diese auf einem atypischen Nutzerverhalten beruhen würden, wie sie z. B. von Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 14.Auflage § BGB § 538 Rn. 34,77) vertreten wird. Denn – so das LG – das Kriterium des atypischen Nutzerverhaltens ist wenig greifbar und daher unbrauchbar. Im vorliegenden Fall wurden 126 Dübellöcher gezählt. Was ungewöhnlich viel ist und daher sogar nach der Gegenmeinung ein atypisches Nutzerverhalten sein könnte. Aber selbst wenn man auf ein atypisches Nutzerverhalten abstellen möchte, würde sich die Frage stellen, ob die Beseitigungspflicht dann nur den Anteil der Dübellöcher betrifft, der das gewöhnliche Maß (wie viele und welche wären das?) überschreitet.
Anmerkung:
Einig ist sich die Fachwelt, dass die Verursachung von Dübellöchern zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Die Frage, ob der Mieter beim Auszug Dübellöcher wieder fachgerecht verschließen muss, wird aber gegensätzlich gesehen.
Das LG Wuppertal geht unabhängig von der Anzahl der Dübellöcher von einem Substanzeingriff aus und hält eine entsprechende Reparaturverpflichtung für gegeben. Anders könnte der Fall nach dieser grundsätzlich am Schadens- und Verschuldensbegriff orientierten Ansicht nur liegen, wenn – was vorliegend nicht der Fall war – die Dübellöcher eine Weitervermietung gar nicht erschweren, weil sie üblich sind, wie z. B. im Badezimmer eine bestimmte Anzahl an üblichen Stellen oder Dübellöcher in einer „Billigwohnung mit niedrigem Ausstattungsstandard“. Diese Löcher lösen regelmäßig keinen Schadensersatzanspruch aus, da dieser Zustand kaum weitervermietungshinderlich ist (so auch Sternel NZM 2017, 169, 181).
Die Gegenmeinung zieht die Grenze erst bei einem atypischen Nutzerverhalten. Nur wenn diese Grenze überschritten wird, besteht eine Beseitigungspflicht. Allerdings lässt sich nach letzterer Ansicht nur schwerlich feststellen, ab welcher Anzahl der Mieter Dübellöcher beseitigen muss und welche Löcher der Mieter dann beseitigen müsste.
Auch nach dem Urteil des LG Wuppertal ist der Richtungsstreit um Dübellöcher alles andere als entschieden. Das Gericht gibt dem Vermieter jedoch gute Argumente an die Hand, bei einer Wohnungsrückgabe auch ohne bestehende Schönheitsreparaturverpflichtung Dübellöcher nicht zu akzeptieren, welche eine Weitervermietung der Wohnung erheblich erschweren.

Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz nach einem Auszug aus der Mietwohnung aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters

In zwei Verfahren vor dem BGH hat dieser im Dezember 2020 entschieden (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2020 – VIII ZR 238/18 und VIII ZR 371/18), dass Mieter, welche infolge einer Pflichtverletzung des Vermieters aus einer Mietwohnung ausziehen und keine neue Wohnung anmieten, sondern Wohnungs- oder Hauseigentum erwerben, die zum Zwecke des Eigentumserwerbs angefallenen Maklerkosten nicht als Schadensersatz vom Vermieter verlangen können.
Im ersteren der beiden Verfahren hatte der Vermieter den in der Kündigung behaupteten Eigenbedarf nach Auszug des Mieters nicht realisiert. Mit der Behauptung, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht gewesen, nahm der Mieter den Vermieter wegen der von ihm aufgewendeten Maklerkosten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Hier hat der BGH entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nur dann in Frage komme, wenn der Vermieter seine Hinweispflicht betreffend den Wegfall des Eigenbedarfs verletzt. Eine solche Hinweispflicht bestehe aber nur vor Ablauf der Kündigungsfrist, nicht jedoch nach Ende des Mietverhältnisses bis zum Ablauf einer im Wege eines Vergleichs vereinbarten Räumungsfrist. Ob danach eine Pflichtverletzung vorlag, ließ der BGH offen, da es sich bei den Maklerkosten jedenfalls um keinen ersatzfähigen Schaden handle.
Im zweiten Verfahren machte der Mieter ebenfalls den Ersatz von Kündigungsfolgeschäden – unter anderem für aufgewendete Maklerkosten – im Wege einer Widerklage geltend. Hier kündigte der beklagte Mieter nach vorangegangenen jahrelangen Streitigkeiten das Mietverhältnis unter anderem deshalb fristlos, weil ein vom Vermieter beauftragter Handwerker ohne Einverständnis des Mieters den Balkon der Mietwohnung betreten hatte, um dort Arbeiten auszuführen. Unter Einschaltung eines Maklers erwarb der Mieter 250 km von der Mietwohnung entfernt in der Nähe seiner Arbeitsstelle ein Einfamilienhaus und verlangte vom Vermieter die hierfür aufgewendeten Maklerkosten.
Für beide Fälle hat der BGH entschieden, dass der Ersatz von Maklerkosten für den Erwerb von Eigentum (anders als für die Anmietung einer Ersatzmietwohnung) nicht von der Schadensersatzpflicht des Mieters umfasst sein könne.
Zwar stellt der Erwerb von Eigentum an einer Wohnung beziehungsweise einem Hausanwesen noch eine adäquat kausale Reaktion des Mieters auf eine (im ersten Fall unterstellte) Pflichtverletzung des Vermieters dar. Denn es liegt nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, dass ein Mieter den notwendigen Wohnungswechsel zum Anlass nimmt, seine Wohnbedürfnisse künftig nicht in angemieteten, sondern eigenen Räumlichkeiten zu befriedigen und zu deren Erwerb einen Makler einzuschalten.
Jedoch sind die im Zuge des Eigentumserwerbs aufgewandten Maklerkosten nicht mehr vom Schutzzweck der jeweils verletzten Vertragspflicht umfasst. Denn eine vertragliche Haftung der jeweiligen Vermieter besteht nur für diejenigen Schadensfolgen, die durch die verletzten Vertragsplichten verhindert werden sollten. Der Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit dem (verletzten) Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen, was bezüglich der Maklerkosten nicht der Fall sei.
Vorliegend haben die Mieter mithilfe des Maklers nicht lediglich ihren Besitzverlust an der bisherigen Wohnung und damit ihr Gebrauchserhaltungsinteresse ausgeglichen, sondern im Vergleich zu ihrer bisherigen Stellung eine hiervon zu unterscheidende Rechtsstellung als Eigentümer eingenommen und damit eine uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis sowie ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht erworben. Demgegenüber gehört es zum Wesen des Mietvertrags, dass dem Mieter (lediglich) ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung auf Zeit zusteht. Auch diese (fehlende) zeitliche Begrenzung sei zu berücksichtigen, wenn es um die Bestimmung der Ersatzfähigkeit von Schäden des Mieters in Fällen wie den vorliegenden gehe.
Erwirbt der Mieter eine Wohnung beziehungsweise ein Hausanwesen zum Eigentum, verfolgt er bezüglich der Deckung seines Wohnbedarfs damit insgesamt andere Interessen als bisher.
Nachdem der bisherige Mieter in dem Verfahren VIII ZR 371/18 neben den Maklerkosten weitere Kündigungsfolgeschäden in Form von Umzugskosten, Mehrkosten für eine Übergangsunterkunft sowie der Kosten für den Aus- und Umbau einer Einbauküche geltend gemacht hatte, verwies der Bundesgerichtshof in diesem Verfahren den Rechtsstreit jedoch trotz des Umzugs in ein Eigenheim an das Berufungsgericht zurück.
Im Gegensatz zu den Maklerkosten für den Eigentumserwerb stünden – eine Kausalität der Pflichtverletzung für die Kündigung vorausgesetzt – diese Schäden noch in dem gebotenen inneren Zusammenhang zu einer Vertragspflichtverletzung des Vermieters. Der Umstand, dass der Mieter sich entschließt, seinen künftigen Wohnbedarf nicht mehr mittels der Anmietung von Räumlichkeiten zu decken, sondern indem er Eigentum erwirbt, hat bezüglich dieser Schadenspositionen keinen Einfluss auf die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit. Damit könne ein Schaden bereits in dem durch die Pflichtverletzung des Vermieters herbeigeführten Wohnungsverlust angelegt sein, weshalb das Berufungsgericht – das diese Frage bisher offengelassen hatte – zu überprüfen habe, ob die Pflichtverletzung für die Kündigung kausal geworden war.